– die Lücke füllen
Die Veranstaltungen wurden gefördert durch den Verfügungsfonds Karolinenviertel des Quartiersbeirats Neustadt-St.Pauli, die Liebelt Stiftung und die Freie und Hansestadt Hamburg, Bezirksamt Hamburg-Mitte.
Wir haben soziale und künstlerische Strömungen aufgespürt, zu denen Zeitzeugen und Zeitgenossen ihre Archive und Arbeitsräume geöffnet haben. Was hat sich nach den wilden, autonomen, anarchischen, kreativen Jahrzehnten 70/80 getan? In den Veranstaltungen vom 5. bis. 12. Oktober in der Galerie der Schlumper zeigten wir Aspekte aus und um das Karoviertel der 90er bis 2010er Jahre.
WeltMusikInstitut // ErinnerungsWeltCafé // Karo Filmschau // Literaturtalk // Kings&Queens // Spray-Aktion // Karo-Hefte // Annette Wehrmann // KaroKulturPodium // Tanzperformance // Galerie Genscher // Egalbar // Wandbild // Schlusskonzert
Die KaroBox ist aktiv!
Auftakt mit Einweihung der Gedenktafel
Erinnerungs Welt Café
Das von Andy Hertel inspirierte Erinnerungs Welt Café bezieht sich auf die Buch Handlung Welt, in der er Wandbilder gemalt hatte.Heilwig Jacob hat das zum Anlass genommen, ein 24-teiliges Wandbild zu gestalten. Sie selbst hatte zu Zeiten der Buch Handlung Welt dort schon am 11. Mai 1979 und 15. März 1983 zwei Bilder gestaltet. Ihrem aktuellen 24-teiligen Wandbild gibt sie denTitel Morgen ist schon beinah Gestern – wo bleibt das Jetzt!?
Sie unternahm dafür drei Streifzüge durch das Karoviertel auf der Suche nach dem Jetzt. Das Gemälde wurde zur Eöffnung am 5. Oktober vorgestellt. Am 11.Oktober wurde das Gesamtbild aufgelöst und ein gedruckter Prospekt in Originalgröße bildete den Hintergrund für den Auftritt von Kushan Glückmann und Band am 12. Oktober.
WELT MUSIK INSTITUT zur Eröffnung
Das Ensemble ‚powertrio‘
SA 5. Oktober// 17:30 Uhr
Die Formation, die sie für das Eröffnungskonzert gewählt hatten, bestand aus Wolfram Simon, ElektroBass, Claudia Knoblauch am Theremin und dem SpaceDrummer Hinnerk K Börnsen. Sie nennen sich powertrio. Und so war ihre Musik an dem Abend: Aufgladen mit Energie, Lust am ständigen Fließen zwischen den Sphären und bewegender Dynamik.
Wolfram Simon und Hinnerk K Börnsen arbeiten seit 45 Jahren zusammen. Sie waren Mitbegründer des WELTMUSIKINSTITUT. Sie spielten davor schon mit anderen Musikern unter dem Namen dada dat zusammen. In ihrer Musik verbinden sie Improvisation und Komposition. Wolfram Simon ist Multiinstrumentalist. Seine polytonalen Kompositionen entfalten sich aus dem Wechselspiel konkreter Grooves, freier Gestik und abstrahierenden Spielweisen. Hinnerk K Börnsen, multimedialer Performancekünstler entwickelte einen speziellen Schlagzeugsound: das SPACE-DRUMMING – pulsierende Klanggewebe.
Hörbeispiele von Wolfram Simon: Flageolett Reverse // Moog solo
Zwei FILME
1988 / 2023
SO 6. Oktober// 17 Uhr
Ruth-Esther Geiger präsentiert ihre Reportage ‚Zwischen Müll und Schickeria – das Hamburger Karolinenviertel‘, die sie Ende der 1980er über das Karoviertel gedreht hat. Eine Bestandsaufnahme der kulturellen und anderer Aktivitäten, Unternehmen, aber auch der damaligen sozialen Verhältnisse, die in die unterschiedlichsten Lebens-, Freizeit- und Arbeitssituationen führt: Vom Schlachthof über die Teemanufaktur ‚Tagtraum‘ bis zum ‚Künstlerhaus Vorwerckstift‘ und der Clubdisco ‚Mambo Jambo‘. Damals schon waren Ansätze zu erkennen, dass dieser Stadtteil langsam als hip angesehen wurde. Seinerzeit wurde das teils noch abgestritten.
Einiges ist wieder untergegangen davon, anderes hat sich verstärkt, vieles lebt immer noch inspirierend und einladend zwischen Marktstraße und Feldstraße. Der Film (Link zu Ausschnitten) zeigt den Charme und die Widersprüchlichkeit – aber auch schon die heute sichtbar gewordene Gentrifizierung des Karoviertels. Wir haben darüber mit Besucher*innen der Veranstaltung und Beteiligten von damals diskutiert. Vom Alltag und den Wünschen junger Romnja handelt der aktuelle Animationsfilm ‚Meine Baba und ich‚. drei der Macherinnen waren anwesend. Der Film enstand bei einem Projekt von KAROLA e.V.
Daniel Dubbe
Lesung und Literaturtalk
SO 6. Oktober// 15 Uhr
Schriftsteller, Journalist, Drehbuchautor, Übersetzer (*1942) Zwischen 1974 und 1983 gab er zusammen mit Christoph Derschau, Bernd Cailloux und Kiev Stingl u. a. die Literaturzeitschrift Boa Vista heraus. Seine Werke überspannen eine große Bandbreite. Wilde Männer, wenig Frauen. Erzählungen (1984), Keine Angst vor Niemand. Über die Siebziger, die Bewegung 2. Juni und die RAF (2004), Der Salonfaschist und andere beste Freunde (2014), Jugendfreunde (2023). Schon 1984 erhielt er den Förderpreis für Literatur der Freien und Hansestadt Hamburg. Dubbe las aus seinen Texten.
Michael Kellner
Kellner (*1953 in Kassel)) ist Verleger, Buchhändler, Übersetzer und Fotograf. Seit 1975 lebt er in Hamburg, wo er von 1977 – 1981 mit Hilka Nordhausen die Buch Handlung Welt gestaltete. Er gilt als Experte für die amerikanische Beat Generation, deren Vertreter er teilweise persönlich kannte (A.Ginsberg, W.S. Burroughs, T.Joans). Zuletzt erschien im Aufbau Verlag (2022) eine von ihm übersetzte und herausgegebene Ginsberg-Werkauswahl in zwei Bänden (Prosa und Lyrik).
Augenzwinkern n.e.V.
eine Aktion von 1992
Hier sind alle Kings und Queens
1992 haben zwei Karoviertel-Bewohnerinnen auf dem sogenannten „Knochen“ (Kreuzung Glashüttenstraße/Marktstraße) die Mit-mach-Aktion „Hier sind alle Kings und Queens“ initiiert. Die auffordernd-anregende Grundausstattung war: Eine Polaroid-Kamera, ein Sessel, eine 4m lange rote Stoffbahn, eine goldene Pappkrone, eine Rolle Rauhfasertapete und ein Filzstift. Alteingesessene und Neuzugezogene äußerten sich schriftlich und inszenierten sich mehr oder weniger majestätisch. Anzuschauen waren die Resultate täglich im Rahmen von Nukleus II – die Lücke füllen. Der Hintergrund: Im Sommer 1991 haben sich mehrere Bewohner*innen aufgrund der konfliktreichen Situation im Karolinenviertel zur „Initiativgemeinschaft Karoline“ zusammengeschlossen. Das Ziel war zu einem entspannteren Zusammenleben beizutragen. Diese Intention ist mit der spielerischen Mit-mach-Aktion aufgegriffen worden.
Anlässlich dieser Ausstellung gibt sich das Initiatorinnen-Duo den Namen „Augenzwinkern“.
KARO BOX
weiterhin aktiv
Mit der Karo Box haben wir Besuchern, Anwohnern, Flaneuren, Angestellten und allen mit dem Karoviertel Verbundenen die Möglichkeit gegeben, sich über diesen Stadtteil zu äußern. Es sollten Statements in kurzen Video-Aufzeichnungen festgehalten werden. Alles – natürlich außer Schmähungen, Drohungen und Beleidigungen – war möglich. Von Kritik bis Karikatur, vom Grußwort bis Gastro-Lob. Zwei Menschen haben sich bisher geäußert. Wir stellen sie vor:
Die Karo Box bleibt weiter geöffnet. Jeder und jede ist aufgerufen, sie mit einem Videoclip zu befüllen. Die Bedingungen sind einfach: Bildformat 4:3 – Länge zwischen 60 und 90 Sekunden – Kopf im Portraitformat – Blick in die Kamera. Stelle dich bei der Aufnahme vor und sage, wie du untertitelt werden möchtest. Nicknames und Pseudonyme sind möglich. Und vor dem Sprechen drei Atemzüge stillhalten. Und dann kann’s losgehen. Das Selfie-Video möglichst per wetransfer.com an mich (birger.bustorff@gmail.com) oder an die Mailadresse post@nukleus-karoviertel.de übermitteln. Danke und viel Spaß beim Drehen. Tipp: zu zweit geht’s leichter – gegenseitig filmen!
3 hamburger frauen // Mitmach-Aktion
Sprüh-Attacke auf das Grau
SO 6. Oktober// ab 11 Uhr
Die 3 hamburger frauen sind eine Künstlerinnengruppe. Es sind Ergül Cengiz, Kathrin Wolf und Henrieke Ribbe. Sie haben viel Erfahrung in der künstlerischen Arbeit mit Bürger*innen vor Ort. Für NUKLEUS II organisierten sie diese Sprüh-Aktion, die am Sonntag, den 6.Oktober um die Mittagszeit stattfand. Aufgerufen waren Anwohner des Karoviertels.
Kunst für Bürger und die Paragraphen
„Gemäß § 19 Abs. 1 Hamburgisches Wegegesetz (HWG) stellt jede Benutzung der öffentlichen Wege, die ihren Gebrauch durch andere dauernd ausschließt oder in den Wegekörper eingreift oder über die Teilnahme am allgemeinen öffentlichen Verkehr (Gemeingebrauch) oder den Anliegergebrauch hinausgeht, eine Sondernutzung dar. Sie bedarf der Erlaubnis der Wegeaufsichtsbehörde. Ein Rechtsanspruch auf die Erlaubnis oder auf eine erneute Erteilung der Erlaubnis besteht nicht. […] Sie kann erteilt werden, wenn
weiterlesen
1. die Sicherheit des Verkehrs nicht eingeschränkt und die Leichtigkeit des Verkehrs nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wird,
2. […]
3. […] „
Weiter hieß es: „Der von Ihnen gewünschte Bereich ist nicht besonders groß, dafür jedoch stets gut frequentiert. Ihr Vorhaben […] würde den Gemeingebrauch unverhältnismäßig stark einschränken und daher ebenfalls die Sicherheit und Leichtigkeit des Fußgängerverkehrs einschränken. >> Weiterhin besteht ein Unfallrisiko, wenn die Kreide – wie leider schon geschehen – ein wenig Öl oder Wachs enthält und (unter Sonneneinstrahlung) rutschig wird. Daher ist das Aufbringen von (Sprüh-)Kreide im öffentlichen Raum grundsätzlich nicht genehmigungsfähig. […] Aus diesem Grund liegen die Voraussetzungen zur Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis auch in Ihrem Fall nicht vor und ein Antrag auf Sondernutzung hätte keine Aussicht auf Erfolg.“
Auf unseren Einspruch zur Materialbeschaffenheit hin, kam folgende Antwort vom Bezirksamt Hamburg-Mitte:
„Wir werden den Antrag erneut prüfen und nun auch andere Behörden involvieren. Bereits jetzt teilen wir Ihnen mit, dass die Sprühkreide nicht auf den öffentlichen Wegeflächen verbleiben darf und daher am 06.10.2024 ab 14:30 Uhr umgehend und rückstandslos entfernt werden muss. Nur unter diesen Voraussetzungen käme eine Sondernutzungserlaubnis in Betracht, sofern auch anderweitig nichts gegen Ihr Vorhaben spricht.“
Daraufhin haben wir dankend abgelehnt, den Antrag zurück- und ohne Genehmigung die Aktion durchgezogen.
Immerhin hat die Freie und Hansestadt Hamburg, Bezirk Hamburg-Mitte, dieses Projekt aus dem Sondermittelfonds unterstützt.
Christoph Rauch
Karo-Hefte, Nr.2
Christoph Rauch ist bildender Künstler, seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen situations- und kontext-basierter Kunst https://www.instagram.com/christoph_rauch_/. Dazu zählen Projekte im öffentlichen Raum des Karolinenviertels, u. a. der Film ‚Location Karolinenviertel‘ (2000, erschienen als Edition#03 bei Nukleus Karoviertel, 2023). Christoph Rauch fotografierte in der Galerie der Schlumper das Cover für seine geplante Publikation Karo-Hefte, Nr.2
Beim Präsenzgespräch mit Besucher*innen erläuterte C.Rauch die Thematik des geplanten Hefts. Eine ausführliche Zusammenfassung folgt.
Monika Wucher
Die Künstlerin Annette Wehrmann
Die Kunsthistorikerin Monika Wucher stellte die Arbeit von Annette Wehrmann (1961 – 2010) vor. Die Künstlerin und Schriftstellerin lebte im Karolinenviertel an der Marktstraße, in direkter Nachbarschaft zur ehemaligen Egal-Bar. Sie beschäftigte sich in ihrer Kunst vielfach mit ihrem sozialen Umfeld, dem Alltag und der Stadt. Der Verein Ort des Gegen e.V. betreut den künstlerischen Nachlass von Annette Wehrmann.
Spaziergänge durchs Karoviertel heute
ein Podiumsgespräch
DO 10. Oktober// 17 Uhr
Die TIDE Radiosendung zum Gespräch jetzt als Podcast verfügbar.
Wer heute Spaziergänge im Karoviertel unternimmt, sieht und erlebt Anderes als vor 30 oder 40 Jahren. Die Moderatorin, Autorin und Universitätsdozentin Ruth-Esther Geiger und der Kunsthistoriker Jörg Schilling sprechen auf dem Podium im Erinnerungs Welt Café über ihre Eindrücke. Schilling ist Herausgeber der hamburger bauhefte, (u.a. über die Rindermarkthalle und die Schanzen-Höfe) und arbeitet über die sozio-kulturelle Entwicklung des Stadtteils. Er bereitet derzeit die Herausgabe eines Bauhefts über den Hochbunker auf dem Heiligengeistfeld vor. Mit dabei ist Coco Ohrt. Sie und Peter Ohrt sind Mitbegründer der Kulturfrabrik Kampnagel. Sie leben seit mehreren Jahrzehnten im Viertel und leiten dort seit 2003 die ‚Schauspielschule Bühnenstudio der darstellenden Künste‘.
Zusätzlich auf dem Podium saßen Christoph Rauch und Christopher Geiger. Beide haben einen starken Bezug zum Karoviertel, weil sie seit mehreren Jahrzehnten die Entwicklung im Quartier künstlerisch und sozialkritisch begleitet und beobachtet haben. Das Gespräch ist von TIDE Radio aufgezeichnet und am 13.November um 14 Uhr im Netz gesendet worden. Jetzt als Podcast auf dem Youtube-Kanal von TIDEnet.de. Zum Podcast.
Angela Rüpke
eine Butoh Tanzperformance
MI 9. Oktober// 19 Uhr
Angela Rüpke hat sich mit Hinnerk K Börnsen vom Weltmusikinstitut zusammengetan und zeigte ihre Tanzperformance im Yogaraum der Schauspielschule Bühnenstudio. Sie schreibt dazu:
„Ich gehe auf der Asche meiner Ahnen“
Es gibt viele Arten, den Körper zum Träumen zu bringen.
Im Butho-Tanz ist es das Bild des „gebrochenen Körpers“, in dem der Bruch mit traditionellen
Tanz-und Theaterkonventionen und unsere Verletzlichkeit zum Ausdruck kommt.
Langsamkeit am Rande des Stillstands dehnt Zeit, schafft Raum.
Innere Impulse zeichnen seismografische Bewegungsmuster.
Der Körper meldet, die Seele spricht.
Wie es im Butoh heißt:
„Der Körper träumt, die Seele führt“
Die Butoh Tanzperfomance dauerte eine gute halbe Stunde. Eine verkürzte Videoaufzeichnung gibt es hier.
Michael Heering
Geschichte der Galerie Genscher
Die Galerie Genscher, war ein Ort für non-profit Kunst/Performance/Aktion. Sie hatte bis vor Kurzem die Türen im Hinterhaus der Marktstraße 138 geöffnet. Das Ausstellungs- und Kulturprogramm der Galerie Genscher umfasst seit 2007 Präsentationen von Gegenwartskunst, Lesungen, Filmabende und Symposien, vorwiegend von jungen Hamburger Künstlerinnen und Künstlern. Der sozio-kulturelle und situative Kontext des Projektes, das Karolinenviertel, hat den künstlerischen und kuratorischen Prozess der Galerie Genscher über eine Dekade hinweg maßgeblich geprägt. Michy Heering (*1974), ist Künstler und leitet das Projekt seit 2009. Unter dem Titel ‘Once Upon A Time’ präsentiert er im Rahmen von NUKLEUS II Materialien zu Konzept und Praxis der Galerie Genscher.
GALERIE GENSCHER – das Kampfbuch / Betrachtungen in einer Wirren Werte Welt – von Birger Bustorff
Ich stehe vor einer Plakatwand aus 30 Einzelblättern. Vornehmlich in schwarz-weiß. Sie haben die Anmutung einer Graphic Novel. Und in der Tat gehören sie zu einem Heft, das Michael Heering als Arbeitsbeitrag zu ‚NUKLEUS II -die Lücke füllen‘ vorgelegt hat. Materialien Galerie Genscher 23/24 ist der Titel und beinhaltet 80 Bildseiten und acht Seiten Textdokumente. Das Heft hat keine Vorder- und Rückseite, lediglich zwei janusartig gestaltete Cover. Bitte wenden, es geht immer vorn los!
Ich nehme wahr: Die Hauptfigur in der Story ist das Gensh Girl oder Gens-Girl, auch GENSSH GILRE / GÜNSK GIRL / CHHRIST-GIRD. Ich sehe: sie demonstriert, bettelt, mobilisiert, kämpft. Gerne wirft sie Bomben. Immer öfter sind mit ihr Parolen und Zahlen verknüpft. Gesprochen wird wenig. Sätze sind oft kryptisch verfremdet: 2,86% und JUSTICE. Sie verbindet mit ihrem Auftrag, Gerechtigkeit herzustellen, eine Obsession – die Schaffung einer SOLIDARRIITES GAILELIRIE in aller Welt. Durch die hypnotisierende Wiederholung und ihre Auftritte an den vielfältigsten Orten übernehmen die Massen die magische Zahl. 2,8766%
Es ist ein Kampf gegen die Ordnungsmacht. Oft genug steht sie einer Phalanx von schwerbewaffneten Polizisten gegenüber. Da sie aber schon in der Antike Superkräfte entwickelt hat (fliegen), kann ihr nicht viel passieren. Sogar die Segnungen Mariens sind ihren offensichtlichen Sympathisanten, Punks und anderen Randfiguren, zuteilgeworden. Und so kann sie mit ihren Unterstützern nicht nur auf Hamburgs öffentlichen Plätzen, sondern auch auf dem Mond, vor Gerichtsgebäuden und auf Weihnachtsmärkten für die Solidarität in der ART OFF-Szene werben.
Selbst der Heilsbringer in seiner Krippe in Bethlehems Stall hat die 2,86% mit auf den (Leidens-)Weg bekommen. An anderer Stelle ist Jesus ein siamesischer Zwilling. Zufall? Alle machen mit. In Badewannen wird telefoniert, und das Komma verschiebt sich nach hinten, jetzt sind es auch gerne mal 28,6%. Alles ist in Bewegung.
Donald Duck, Micky Maus u.a. tauchen auf. Junge asiatische Frauen nach plastischen OPs, Models mit betörenden Gesten, Hasen im Streit, Hunde vor leeren Futternäpfen (alle in Farbe) irritieren meine Wahrnehmung der Geschichte. Sind es Metaphern, Allegorien, womöglich weniger als das? Zusätzlich zur kryptischen Dramaturgie, die diese unkonventionelle Graphic Novel aus sich wiederholenden Versatzstücken aufbietet. Das ganze Heft ein Mosaik aus Bildern, Bildsequenzen und Textfragmenten. Ein Wahrnehmungsexperiment, das seinen Ursprung, so erfahre ich von Michael Heering, in der KI-gestützten Erzeugung der Tafeln hat.
Ich frage mich: Welche Prompts haben zu alldem geführt? Anders als bei sonstigen bildnerischen Hervorbringungen steht hier das Wort am Anfang und ist ursächlich für die Bilder. Die verbale Beschreibung ist in der Kunst traditionell der Werkanalyse vorbehalten. Worte, Begriffe, Beschreibungen, von der KI – genauso, anders, falsch – verstanden, führen gerne zu Miss-Synthesen. In den Sprechblasen, Transparenten, Gebäudenamen zeigt sich ein KI-Dadaismus, der sich erschreckend spaßig liest. KI-chern als angemessene Reaktion? ‚HADIN, KÜCHESHAPSE!‘
Das Konzept der Galerie Genscher landete vor einer Jury, die in dem Heft als Konzil, Gericht, vielleicht auch Tribunal aufscheint. Im Stil der Karikaturen von Grandville. Kämpfe, Auseinandersetzung mit höheren Instanzen und das Empfinden einer Ungerechtigkeit haben als Reaktion darauf oft genug künstlerische Ausformungen erfahren. Pamphlete, Manifeste, Phantasmen, die einen hohen Grad an Kreativität aufweisen.
Was sehe ich hier? Ein Panoptikum von Gedankenspielen, möglichen Szenarien um das Ziel – den Erhalt der Galerie Genscher – zu erreichen. Von mir kommt keine Bewertung, dazu ist die Energie, die in der Arbeit von Michy Heering aufscheint, zu hoch.
Der Erste Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass Energie nicht verloren gehen, sondern nur von einem Zustand in einen anderen übertragen werden kann. Von einem System in ein anderes. Dabei ändert sich womöglich auch der Aggregatzustand. Wieviel Energie bei der Betrachtung von Heerings Beitrag in jeden fließt, entscheidet sich individuell. Ob daraus eine solidarische oder widerständische Haltung entsteht, ist offen. Nur wer wegschaut, kann neutral bleiben. Die Galerie ist zwar zu, aber die Zukunft ist offen.
Birger Bustorff / November 2024
Nils Emde/Elena Getzieh
Die Egalbar
Die Egal Bar stand an der Stelle der heutigen Galerie der Schlumper. „Scheiß auf Regeln, Scheiß auf Konventionen, Scheiß auf Profit“ fasste der Journalist Jan Freitag das Prinzip zusammen. Von 1994 bis 2012 existierte sie im Viertel. Nils Emde und Elena Getzieh haben nach dem Abriss die Überreste bewahrt und lassen die Atmosphäre dieses Ortes wieder spürbar werden. Originalmobiliar und Tapetenrelikte erzeugen Resonanz auf diesen so ganz anderen Kultur-Container. Die Reihe von Interviews, die sie über die Jahre dokumentiert und publiziert haben, setzten sie in der Woche fort. Besucher, womöglich Zeitzeugen, trafen Emde/Getzieh in der Galerie.
Heilwig Jacob
Ein Wandbild durch die Woche
Andy Hertel, der im Dezember 2023 verstarb, hat uns noch das Motiv des Erinnerungs Welt Cafés hinterlassen. Er wollte einen Raum bei den Schlumpern einrichten, der an die Buch Handlung Welt erinnern sollte. Wir statteten einen Teil der Galerie in diesem Sinne aus: als Musikbühne, Gesprächspodium und Präsentationsfläche. Heilwig Jacob gestaltete das temporäre Wandbild. Ein idealer Platz auch zum Entspannen zwischendurch.
Das eigens für das Erinnerungs Welt Café gemalte Wandbild hat 24 Teile auf insgesamt 200cm x 300cm. Es existierte komplett nur in der NUKLEUS II-Woche. Jedes Einzelstück (50×50) konnte käuflich erworben werden. Ein Teilbild kostet 225€. Inzwischen haben vier Teilbilder einen neuen Besitzer gefunden. Jedes Teilstück war käuflich zu erwerben. . Am 11.Oktober wurde das Gesamtbild aufgelöst und ein gedruckter Prospekt in Originalgröße bildete den Hintergrund für den Auftritt von Kushan Glückmann und Band am 12. Oktober. Auch jetzt noch können Teilbilder gekauft werden.
SCHON WEG
Kushan Glückmann und Band
SA 12. Oktober// 18 Uhr
Der frühere Drummer und Begründer der legendären Buschband gibt das Abschlusskonzert. In den Jahren ‚78 -´84 entwickelten sie einen sehr eigenwilligen Sound, der ihnen viel Ruhm und Erfolg in Italien und der Schweiz bescherte. Nach 40 Jahren erschien vor kurzem eine Doppel-CD. Darunter der revoltierende Song gegen Axel Caesar Springer: AC Jumper. Kushan Glückmann ist inzwischen als Komponist, Percussionist und Sänger unterwegs. Nach wie vor mit kritischen Texten zu Losgeh-Rhythmen.
Die Galerie war voll und die Stimmung ausgelassen. An dem Abend nahmen die Dinge ihren Lauf und die Dokumentation überließen wir dem Zufall. Unsere Videotechnik hatte ihre eigene Art, das Ereignis zu dokumentieren – nämlich gar nicht. Glücklicherweise hatte Kushan seinen eigenen Kamramann dabei. Die Videos des Abends sind hier zu besichtigen. Viel Vergnügen.
Gedenktafel für Hilka Nordhausen
Einweihung am 4.Oktober um 15 Uhr
Die Kunsthistorikerin Burcu Dogramaci und der Kunstsammler Peter Hess haben sich mit Freund:innen und Wegbegleiter:innen von Hilka dafür eingesetzt, dass im Andenken an sie eine Tafel am Eingang zur ehemaligen Buch Handlung Welt angebracht wird. Die Einweihung dieser Gedenktafel fand am 4. Oktober um 15 Uhr vor dem Haus Marktstraße 12 statt. Es sprachen Dr. Uwe M. Schneede, Dr. Burcu Dogramaci, Michael Kellner und Angela Rüpke.