In der Buch Handlung Welt liefen viele Fäden zusammen: Junge Nachwuchstalente begegneten erfahrenen Berühmtheiten, unterschiedliche Kunstgattungen präsentierten sich von Büchern und Wandbildern umgeben, auf unterschiedliche Weise. Es gab Lesungen, Filmscreenings, Performances. Das Wandbild wurde alle vier Wochen weiß übermalt und der nächste Künstler, die nächste Künstlerin bekam Gelegenheit, ein neues Werk zu schaffen. Allem zu Grunde lag die Einstellung, dem herkömmlichen Kunstbetrieb etwas entgegenzusetzen. Der Antrieb lag in der Neugier auf neuem, unbekanntem künstlerischen Terrain ergebnisoffen zu experimentieren, sich gegenseitig zu inspirieren und darüber einen Austausch zu führen. „Mein Anschlag auf die Wirklichkeit“ wie Hilka Nordhausen es in ihrem Pamphlet ausdrückte.
Wo es begann
Suche nach Schönerem, Größerem, Neuem, nach Kunst, nach Leben. Hilka Nordhausen und Hannes Hatje fuhren 1975 nach Paris. Im Hotel de Nesle, Zimmer 17, fingen sie ihre Impressionen in Text und Bild ein. Ein Besuch der berühmten Buchhandlung „Shakespear & Company“ löste den Gedanken aus, einen Ort für Aktion, Bilder und …… Bücher zu schaffen. Das war die Geburtsstunde der „Buch Handlung Welt“.
Publikationen
Kellner, 1993
Michael Kellner 1980. Mit einem Beiwort von Klaus Wyborny
Wandarbeiten
Vom Beginn 1976 bis zum Ende der Buch Handlung Welt 1983 wurden 69 Wandarbeiten realisiert. Die letzte gestaltete Hubert Kiecol am 19.12.1983.
vor dem Wandbild von W. Büttner und A. Oehlen, Jan 1978
Anlässlich des Festivals „Wir nennen es Hamburg“ (Hamburger Kunstverein und Kampnagel, Oktober 2008) schreibt Carsten Klook in einem Katalogtext:Wer in die 1977 eröffnete „Buch Handlung Welt“ in die Marktstraße ging, konnte sich als Kultur-Terrorist betrachtet sehen, von sich selbst oder von anderen. Man war Ex-Hippie, Ex-Punk, oder beides, und rebellierte gegen die, deren Rebellion versackt war (also auch gegen sich selbst). Man fühlte sich insgeheim dazugehörig zum Kreis derer, die etwas im (Preis-)Schilde führten, ein Gesellschafts- oder ein Art Attack etwa. Gefährliches schien in den Regalen zu lauern und im Blick der Betreiberin Hilka Nordhausen. Ein skeptisches Beäugen, ein beiläufiges Abgeklopftwerden: Basskontrolle? …
Fast wirkte es, als strahlte die legendäre Dame genau das aus, wovor sich die mentalen Widerständler der 70er Jahre am meisten fürchteten: The old grey Gesinnungstest. Bist du es auch wert, diese heilige Halle zu betreten? Das war die Schwelle, die man zu überqueren hatte. Eine Tradition, die in allen Zirkeln gewahrt bleiben muss, so scheint es auch heute. Um sich diese Frage selbst zu stellen. Das Grundproblem der Nachfolgegeneration („den 77ern“, die irgendwo zwischen (Post-)Punk und Studium herumeierten und das Musikmagazin SOUNDS zur neuen Bibel auserkoren hatten), mit den kulturrevolutionären Zellen der alten Schule, die mir persönlich auch als Kulturjournalist der taz hamburg ab 1982 mit einer merkwürdigen Mischung aus Skepsis und Wohlwollen begegneten. […] In der „Buch Handlung Welt“ wurde Kunst nicht gesichtet und verkauft, wie in einem Kaufhaus. Hier wurde sie a) zerstört, um sich neu zu erschaffen b) als Ergebnis dieses Prozesses gelebt. Dada und Fluxus, Beat-Literatur, Poesie und Wandbild, Film- und Diaprojektionen, Performances, Verzweiflung und Verweigerung hatten hier ihre Anlauf- und Auslaufstelle. „Das Konzept der Wand war der Ausdruck einer neuen Position“ (Hilka Nordhausen). Markus und Albert Oehlen, Walter Dahn, Jiri Georg Dokoupil, Martin Kippenberger, Bernd Skupin, Michael Deistler und viele andere gestalteten die Wand oder zeigten Rauminstallationen. Heinz Emigholz projizierte seine Filme, Ed Sanders machte eine Performance, Kiev Stingl, Christoph Derschau, Ralf Thenior, Daniel Dubbe, Uli Becker und Anna Rheinsberg lasen, der konkrete Poet Eckardt Rhode machte sogar eine einwöchige Leseaktion. In der „Buch Handlung Welt“ konnte man Vlado Kristls superschmale Bücher aus dem 1.- DM Verlag in die Hand nehmen, oder Anthologien und Literaturzeitschriften wie „Boa Vista“ (u.a. mit Bernd Cailloux), „Analle“, „Mezzotinto“, „Loose Blätter Sammlung“ und „Henry/Nanzy“. Eine große Mixtur der Einflüsse und medialer Konzepte war einseh- und greifbar.
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Auftritte
(Wandbild Heinz Emigholz)
Bei Performances, Lesungen und Filmvorführungen war Claus Böhmler immer wieder Gast. Mit seiner kleinen Single-8-Filmkamera drehte er bewegte Schnappschüsse. Am 4.Mai 1979 zeigte Joseph Somogyi seine Medienperformance Sun rises – sun sets. Claus Böhmler ‚dokumentierte‘ diesen Auftritt in seiner spezifischen Art.
Video
Musik-Lesung-Wandobjekt-Performance der Meisterhaften Kapitäne (Oktober 1982). Die 120 Sekunden-Kurzfassung.
Der Film ‚Meisterhafte Kapitäne‘ (6:04min.) ist als DVD Edition NUKLEUS zusammen mit ‚WELT UM ZUG‘ erhältlich. (derzeit vergriffen)
Angela Rüpke spricht mit Ergül Cengiz – Kuratorin der Ausstellung ‚Exzentrische 80er‘ – war 2023 im Kunsthaus Hamburg zu sehen.